DER POLITISCHE MENSCH FRED BREINERSDORFER
Elternhaus und Schule
Dass Breinersdorfer in einem Elternhaus aufwuchs, das auch nach dem Krieg eng mit nationalsozialistischen Nachfolgeorganisationen verbunden war, hat er öffentlich gemacht. Sein Vater war Offizier in der SS-Leibstandarte Adolf Hitler, die Mutter antisemitisch und antiamerikanisch eingestellt. Er konnte verstehen, dass beide Eltern, die aus armen Verhältnissen stammten, der Nazidiktatur verfielen, weil sie nach 1933 plötzlich neue Lebensperspektiven sahen. Dass sie aber aus der globalen Katastrophe des 2. Weltkriegs nicht die naheliegenden Konsequenzen zogen und sich nicht vom Nazitum distanzierten, war für ihn unverständlich. Angeregt durch einen Lehrer, der im Gymnasium erstmals über den Holocaust sprach, kam es zu heftigen Debatten und politischen Streitereien mit den Eltern.
Bundeswehr
Dass Breinersdorfer zur Bundeswehr ging und sich für zwei Jahre verpflichtete um Reserveoffizier zu werden hatte zwei Gründe: Er wollte nicht aus Gewissensgründen Wehrdienstverweigerer werden, weil er nicht ausschließen mochte, in gewissen Notlagen zur Waffe zum Zweck der Verteidigung zu greifen. Und dann ganz pragmatisch: Gehalt und Abfindung bei der Bundeswehr halfen die ersten Semester Studium zu finanzieren. Sein kritisches politisches Bewusstsein wurde auf dem Offizierslehrgang geschärft, als er mit den damaligen militärischen Doktrinen vertraut gemacht wurde, die unter anderem den Einsatz von Nuklearwaffen durch die Westmächte in Deutschland vorsah.
Studium
Nach ersten Demos als Student in Mainz, wo er und Kommilitonen von Professoren mit Buttersäure angegriffen worden war und turbulenten politischen Debatten an der Universität Tübingen, wo er ab Sommersemester 1969 sein Jurastudium fortsetzte, begann er sich auf dem linken Spektrum der Studentenszene zu engagieren. Er wurde in den Senat und die Fachbereichskonferenz der Universität gewählt und gründete zusammen mit einer guten Handvoll Kommilitonen eine Gruppe mit dem Namen “konkursverwaltung” mit keinem geringeren Anspruch als den Konkurs der bürgerlichen Justiz zu verwalten. In Flugblättern und endlosen Debatten und auf Demonstrationen und Sit-ins griff die Gruppe jene bürgerliche Justiz als ideologisches Herrschaftsinstrument des Kapitalismus an. Neben Breinersdorfer war prominentestes Mitglied der Gruppe die spätere hessische Justizministerin und Richterin am Bundesverfassungsgericht Christine Hohmann-Dennhart (übrigens zusammen mit ihrem Ehemann Trauzeugen bei Breinersdorfers erster Ehe). Dabei darf man nicht vergessen, dass neben der allgemeinen Gesellschaftskritik, dem Kampf gegen den Vietnamkrieg auch das Ringen um die so genannte “Notstandsverfassung” eine wichtige Rolle spielte. Ein zentrales juristisches Thema, denn im Notstandsfall sollten wesentliche Grundrechte und die demokratische Verfassung der Republik außer Kraft gesetzt werden.
Anfangs der siebziger Jahre spitzte sich die politische Diskussion unter den linken Studenten zu, als klar war, dass mir Flugblättern, Demos und Parolen weder die Arbeiter, noch ein nennenswerter Teil der Menschen zu mobilisieren waren. Eine kleine Minderheit war für den “bewaffneten Kampf” gegen die Herrschanden, die große Mehrheit für den “Marsch durch die Institutionen”. Breinersdorfer schloss sich der Mehrheit an und trat 1973 in Tübingen des SPD bei – allerdings ohne in der Partei nennenswerte Aktivitäten zu entfalten.
1994 Kandidatur zum Bundestag
Das änderte sich, als er 1992 in Stuttgart von der dortigen SPD gefragt wurde, ob er nicht in dem nach dem Rücktritt von Horst Ehmke verwaisten Wahlkreis Stuttgart Süd 1994 für den Bundestag kandidieren wolle. Er sagte zu, führte einen intensiven Wahlkampf und verlor knapp, nicht zuletzt, weil ihn die Partei, die ihn zur Kandidatur aufgefordert hatte, auf den Listenplatz 25 abservierte, der erste Platz auf der Liste, der nicht für den Einzug ins Parlament reichte.
Eine umfangreiche Beschreibung der Situation und Abläufe finden Sie in:
Platz 25, Auszüge aus Notizen im Bundestagswahlkampf 1994,
in: Joachim Helfer, Klaus Wettig (Hrsg.), Durchgefressen und durchgehauen, Schriftstellerinnen und Schriftsteller gratulieren der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zum 150. Geburtstag 2013
Vorsitzender des VS
Von 1997 bis 2005 war Fred Breinersdorfer Bundesvorsitzender des Deutschen Schriftstellerverbandes VS (in ver.di), der inzwischen auf eine fast 50-jährige Geschichte zurückblickt, nachdem er mehrere Jahre den Landesverband Baden-Württemberg geleitet hat. Nachdem es Uwe Friesel gelungen war, relativ schnell und fair die Kollegen aus der DDR in die Gewerkschaft zu integrieren, wurde mit Eich Loest ein Vorsitzender gewählt, der nicht nur ein renommierter Literat war, sondern auch in der DDR ein prominenter Dissident. Er leitete den VS wieder in ruhigeres Fahrwasser. Breinersdorfers Ziel war, den Schriftstellern wieder die politische Stimme zu geben, die sie bei Gründung des Verbands 1968 durch Heinrich Böll, Günter Grass und Dieter Lattmann hatte. Das gelang nicht. Die Rezeption in der Gesellschaft für politische Debatten unter Kreativen hatte sich verändert, Stars aus dem Showgeschäft fanden andere Themen für die Öffentlichkeit. Problematisch war zudem die Integration des VS in die Großgewerkschaft ver.di und die damit verbundenen Einschränkungen der Eigenständigkeit und zahlreiche Sparmaßnahmen, die den Aktionsradius des Vorstandes deutlich verringerten. Dennoch half die Unterstützung von ver.di beim Kampf um die Verbesserung des Ureberrechts. Insgesamt bleibt ein ernüchterndes Fazit von acht arbeitsreichen Jahren als Ehrenamtlicher.
Lobbyist für ein bessres Urheberrecht für Kreative
Seit 1996 ist Breinersdorfer Mitglied des Verwaltungsrats der VG Wort, der Verwertungsgesellschaft der Worturheber.
Fred Breinersdorfer unterstützt seit Jahren die Aktivitäten zur Verbesserung des Urheberechts. Er forderte schon in den 90er Jahren als Vorsitzender des VS eine umfangreiche Reform und die Einführung einer Rechtsgarantie für angemessene Vergütungen. 2002 wurde das Gesetz verabschiedet, war aber durch aggressive Kampagnen besonders der Verleger im Kern ausgehöhlt und unwirksam. Da zunehmend die Harmonisierung des Urheberrechts in Europa Bedeutung gewann griff Breinersdorfer auch hier aktiv in die Diskussion ein.
Urheberrechtsdebatte mit EU-Kommissar Günter Oettinger
Eine Novellierung des Urhebervertragsrechts in Deutschland im März 2017 brachte erhebliche Verbesserungen. Die Rechtsposition der Kreativen ist damit aber immer noch nicht befriedigend gesichert. Der Kampf geht weiter.
Unterstützung verfolgter Filmemacher
Debatte in der Filmakademie
2011 gründete Breinersdorfer in der Deutschen Filmakademie in Zusammenarbeit mit Amnesty International “Filmmakers in Prison”, anfangs zur Unterstützung des Iranischen Filmemachers Jafar Panahi. Der von ihm kreierte Filmspot über das Problem lief monatelang in unzähligen Kinos.